Pracht in Polaris

    1971er BMW 3.0 CS E9
    1971er BMW 3.0 CS E9
    In den ach so wilden 70ern trug längst nicht jedes Auto Quietschbunt. Silbermetallic wie hier Polaris war schon damals eine geschmackssichere Wahl.

    Feature / 1971er BMW 3.0 CS E9

    Fertigstellen statt Fleddern: E9 zu schade für die Schlachtbank

    Im Herbst 2006 kaufte sich Albin nach drei selbst restaurierten englischen Fahrzeugen seinen ersten BMW. Ein 3.0 CSi E9 von 1973 durfte es schon sein, weil er dieses Coupé bereits als Kind sehr aufregend fand. Nach Zerlegen und Bestandsaufnahme stand fest, dass noch ein Ersatzteilträger her musste – der Startschuss für eine blau-weiße Langzeitbeziehung.

    1971er BMW 3.0 CS E9
    Schön anzusehen, schwer zu restaurieren: Der Vorderwagen des E9 ist nahtlos gestaltet.

    „Zu jener Zeit waren speziell Blechteile schwer aufzutreiben und bei meinem Auto war so gut wie alles am Unterboden hinüber. Also kaufte ich im August 2007 bei Frankfurt einen 1971er BMW CS 3.0, dessen rechte Seite durch einen Unfall mit einer Leitplanke stark in Mitleidenschaft gezogen war. Als das Auto in Graz ankam, musste ich feststellen, dass sich der Ersatzteilträger abgesehen vom Schaden auf der Flanke in einem wesentlich besseren Zustand befand als der zuvor erworbene CSi. Also beschloss ich, den Ersatzteilträger als erstes zu restaurieren. Das hatte zwar den Nachteil, dass ich mir noch einen Spender suchen musste, doch ich tat rasch einen auf und konnte sogleich mit der Restauration des CS beginnen“ schildert Albin den unerwarteten Lauf der Dinge.

    1971er BMW 3.0 CS E9
    Frisches Leder für die Sitze, die übrige Innenausstattung war indes gut in Schuss und musste nur gereinigt werden. Ein Dreispeichen-Holzlenkrad von Momo ersetzte das biedere Originalvolant.

    „Ich musste das Coupé nicht einmal ganz zerlegen, um mit der Restauration beginnen zu können.“

    Motor und Getriebe wurden ausgebaut und auf Paletten gebunden. Obwohl der Motor lief, führte aufgrund der blauen Wolken am Endrohr kein Weg an einer Generalüberholung vorbei. Dem Motorblock langte Honen und Lackieren, zudem gab es neue Kolbenringe, neue Lager, neue Zylinderkopfschrauben, neue Ventile und Sitze für bleifreies Benzin, eine 275°-Nockenwelle von Schrick, sowie neue Kipphebel. Darüber hinaus wurden sämtliche Schrauben und Halter gelb verzinkt, kaputte Schrauben freilich durch neue ersetzt.

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    1971er BMW 3.0 CS E9
    Zusatzscheinwerfer stehen auch einem BMW der E9-Reihe gut zu Gesicht, den Spoiler stammt vom 3.0 CSL.

    Lichtmaschine und Starter verlangten ebenfalls nach Überholung, der Vergaser wurde nach dem Trockeneisstrahlen neu abgedichtet, Schwimmer sowie Kaltstartventil getauscht. Die Zündung ließ Albin auf eine kontaktlose umbauen, seitdem läuft der M30-Reihensechser zur Freude aller erheblich runder. Auch sonst barg die Technik keine Tücken: Das Viergang-Getriebe wurde außen trockeneisgestrahlt, neu abgedichtet und mit neuem Öl SAE 80W versorgt. Sonst waren keine Eingriffe nötig – die Getrag-Box arbeitet komplett geräuschlos. Beim Differential fiel der Arbeitsaufwand ähnlich gering aus: Trockeneisstrahlen, lackieren, neue Simmeringe und Dichtungen sowie 75W90 Öl von Castrol rein, fertig.

    Schweiß- und Lackierarbeiten am 3.0 CS E9 wurden im eigenen Betrieb umgesetzt

    Schweiß- und Lackierarbeiten waren ein Fall für den eigenen Betrieb – wozu hat man ihn denn bitte erfolgreich aufgebaut? Der Unterboden war bis auf die Achsaufnahmen und zwei Löcher im hinteren Bodenbereich nicht durchgerostet, daher reichten eine Trockeneisbehandlung und eine Rostkur. Die Wagenheberaufnahmen sowie Teile der vorderen und hinteren Einstiegsenden mussten allerdings erneuert werden. Überhaupt kein Thema – diese Teile wurden selbst angefertigt, ebenso die Radhausenden hinten. Die beschädigte Tür und den Kotflügel spendete der hierzu angeschaffte Ersatzteilträger, die Seitenwand rechts wurde gerichtet. Die linke Tür benötigte einen neuen Türboden, der wiederum selbst angefertigt wurde. Die A-Säulen sowie die Innenkotflügel erwiesen sich als intakt und mussten nur von leichten Anrostungen befreit werden. Motorhaube und Heckklappe waren bis auf ein paar kleine Dellen in Ordnung. Sämtliche Schweißstellen wurden verzinnt, gekittet und die ganze Karosse gefüllert.

    1971er BMW 3.0 CS E9
    Aus dieser Perspektive sah man ihn meistens: Mit 180 PS auf 1.380 kg Leergewicht war der 3.0 CS alles andere als phlegmatisch. Der rund 30.000 DM teure 3.0 CS brillierte als schneller Reisewagen.

    „Das Blechkleid haben wir einige Monate in einer Ecke stehen gelassen, damit es kein Nachfallen vom Füller gibt und die Oberfläche schön glatt bleibt“, beschreibt der Steirer den verordneten, geruhsamen Gang. „Die Lackierung folgte dann im Original-Farbton ,Polaris‘. Der Klarlack wurde nach dem Aushärten geschliffen und eine zweite Klarlackschicht aufgetragen. Diese wurde dann wiederum mit 3000er Papier geschliffen, poliert und mit einer Keramikversiegelung beschichtet. Den Innenraum habe ich bis auf den Himmel, Armaturenträger und Kabelbaum ausgeräumt. Die Sitze wurden von einem Sattler neu aufbereitet und mit Leder bezogen. Dachhimmel, Verkleidungen und Holzdekor bedurften lediglich einer ordentlichen Reinigung und wurden wie der Teppich original belassen. Die Auskleidungen vom Kofferraum waren unbeschädigt und wurden daher bloß neu eingefärbt.“

    BMW 3.0 CS E9 Fertig. Feiern!

    Es wurden alle originalen Klarglas-Scheiben ohne Tönung wieder verwendet, nur die Dichtungen wurden getauscht. Eigentlich wollte Albin noch eine neue Windschutzscheibe einbauen, doch das Ersatzteil hatte eine derart schlechte Passgenauigkeit, die das Einbauen unmöglich machte. Daraufhin wurde die alte Windschutzscheibe, die einige kleinere Kratzer aufwies, wieder eingebaut. „Während die Karosse hergerichtet wurde, habe ich das gesamte Fahrwerk zerlegt, sandgestrahlt und lackiert. Die originalen Federn habe ich beibehalten, aber neue Bilsteindämpfer verbaut. Alle Schrauben wurden gegen Neuteile ausgetauscht, auch die Ankerbleche sowie sämtliche Lager und Gummis kamen neu. Wenn man schon anfängt, an solchen Kleinigkeiten zu sparen…“

    BMW E9
    Noch nicht optimal: Ähnlich wie beim frühen 5er E12 sitzt der Tankstutzen im aufprallgefährdeten Heckbereich.

    Wie der Motor wurden auch die Bremssättel gehont und lackiert. Allein schon aus Sicherheitsgründen fielen Kompromisse in Sachen Bremskolben und -Gummis, Brems- und Benzinleitungen, Bremsschläuche, Bremsscheiben und -Klötze aus, durch die Bank zogen Neuteile ein und gut. Die Bremsanlage wurde dann mit einer silikonhaltigen Bremsflüssigkeit der Spezifikation DOT 5 befüllt, um bei längeren Standzeiten Wasserbildung im System zu vermeiden.

    Weitere BMW-Projekte

    „Aufgrund der Tatsache, dass ich so viel wie möglich selber machen wollte und noch einige BMW-Projekte wie ein E24, ein E28, ein E21, und E30 Cabrio dazwischen kamen, hat diese Restauration ganze neun Jahre gedauert. Egal, denn der Wagen war rechtzeitig am 8. September – einen Tag vor BMWs 100-Jahr-Feier im Olympia Park München – fertig, sodass meine Frau und ich vom 9. bis 11. September 2016 an diesen Jubiläumsfestivitäten teilnehmen konnten. Der CS hat die erste Ausfahrt über 1.000 Kilometer ohne Probleme überstanden. Inzwischen gibt es in unserer Familie bereits 15 BMW, davon fünf Alltagsfahrzeuge. Die restlichen werden nur bei Schönwetter bewegt.“

    Und der eingangs erwähnte CSi? Dessen Karosse wurde im Februar in der Entlackungsfabrik entblättert sowie KTL-beschichtet und wird im Moment vom Spengler bearbeitet. Die Karosse sollte bis spätestens April nächsten Jahres im Original-Farbton „Colorado“ lackiert sein. Voraussichtliches Restaurationsende ist der April 2022. Wir sind schon mal gespannt!

    Text: Arild Eichbaum
    Fotos: Frank Schwichtenberg

    Feature Facts:  1971er BMW 3.0 CS E9

    Motor: M30B30-SOHC-12v-Reihensechszylinder; 2.985 cm³; 180 PS bei 6.000 U/min; 255 Nm bei 3.700 U/min; Verdichtung 9:1; 2 x Solex Vergaser; 275°-Nockenwelle von Schrick; Edelstahl-Auspuff mit Fächerkrümmer von der Fa. Wurm Type CS-E9 Nr. 201435
    Kraftübertragung: Getrag Viergang-Schaltgetriebetriebe; Hinterradantrieb, Achsübersetzung 3,45:1
    Fahrwerk: Serie mit Bilstein-Dämpfern
    Räder: Original Alpina in 7 x 16 ET11 vorn und 8 x 16 ET24 hinten
    Reifen: Pirelli „P7” in 205/55 R16 91V vorn und 225/50 R16 92W hinten
    Karosserie: lackiert in Polaris; Frontspoiler vom CSL
    Innenraum: MOMO 3-Speichen Holzlenkrad 38 cm ⌀
    Sonstiges: 10.898 mal gebaut; Erstzulassung 25.05.1971; aktueller Km-Stand: 56612

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