1969er BMW 2002ti

Das feuerrote Spielmobil

Alpina-A3-Power im Breitbau-Gewand
„Das feuerrote Spielmobil“ war von 1972 bis ‘81 eine beliebte Kindersendung des Bayerischen Rundfunks. Die Entsprechung der Bayerischen Motorenwerke ließ knapp 35 Jahre nach Einstellung des TV-Formats ein weiteres Kinderherz höherschlagen.

Und so wenig unangetastet wie der um ein Dachgeschoss erweiterte Opel Blitz auf der Mattscheibe ist auch der kräftig in die Breite gegangene 2002ti. Da diese Fahrmaschine eine sehr schöne Alternative zu den bereits vorhandenen Originalfahrzeugen darstellte und enormen Fahrspaß versprach, wurden sich im September 2015 Vorbesitzer Markus Fischer aus Schwabmünchen und ein Leipziger Sammler schnell handelseinig. Auch der hatte den ti im August 2009 aufgrund des aktuellen Karosserieumbaus erworben. Dass der Motor 2010 nach einem Schaden von einem Alpina-Mitarbeiter neu nach A3-Spezifikation aufgebaut wurde, machte die Kaufentscheidung für den Sachsen nochmals leichter. Amélie, die damals 13-jährige Tochter des Sammlers, hatte im Januar 2016 dessen Kollektion besucht, sofort von allen Fahrzeugen direkt den roten 2002ti anvisiert und sogleich auf dem Fahrersitz Platz genommen. Da sie sich in den nachträglich in „Verona-Rot“ lackierten Flitzer verliebt hatte, stellte sich dem Herrn Papa die Frage, den 2002ti in seinen Originalzustand mit der „schnellen“ Farbe „Colorado-Orange“ zurückzuversetzen, nicht mehr. Abgesehen davon steht dem roten Breitbau mittlerweile auch ein unangetasteter 2002ti in der Originalfarbe „Colorado“ zur Seite, bemerkt Thomas Fenchel, Betreuer der Leipziger Kollektion.

Wer außen auf dicke Hose macht, sollte innen was zu bieten haben – wie einen Überrollkäfig.

Der rote ti, gebaut am 20.10.1969 und erstzugelassen am 07.11., war ein Muttersöhnchen im besten Sinne: Während seine Geschwister in alle Welt zogen, blieb er quasi an Mamas Rockzipfel – Halter des Mitte 1968 eingeführten Topmodells der 02-Reihe war die Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, die den 120-PS-Kracher zur großen Freude aller in den Genuss Kommenden intern nutzte. Am 24.04.1970 wurde der Dienstwagen als junger Gebrauchter nach Dachau ausgeliefert und erfuhr im Laufe seines weiteren Lebens das nicht unübliche Schicksal solcher Kraftpakete: Der ti wurde nach Herzenslust sportlich individualisiert. Und zwar so eindrucksvoll, dass er seit Dezember 2011 als Vorbild für den roten Renner in der Motorsport-Simulation „GT Legends“ diente – Markus kannte einen der Spielentwickler. Nicht auf dem Bildschirm auf der Piste, sondern im Real Life auf der Straße fand sich der BMW ab dem 15.04.2016, als er wegen Amélies großer Liebe zum Breitbau mit dem Kennzeichen L-A 5803, passend zu ihrem Namen und Geburtsdatum, zugelassen wurde. Mit diesem Nummernschild waren die zukünftigen Besitzverhältnisse eindeutig geklärt und die Überraschung grenzenlos, als sie paar Tage später mit „ihrem“ roten 02 von der Schule abgeholt wurde.

Dank 45er Weber-Anlage und weiterer Goodies kommt der 2,0-l-M10 im Alpina-A3-Trimm auf stramme 165 PS.

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Auch wenn Amélie zu diesem Zeitpunkt noch keinen Führerschein besaß, war ihr die Vorfreude auf die „Freude am Fahren“ anzusehen. „Bis zum Erhalt der Plastikkarte hatte sie auch noch genügend Zeit zum Training ihrer Oberarmmuskulatur, da sich der ti bei einer Felgenbreite von sieben Zoll im Stand nur mit erheblichem Kraftaufwand lenken lässt“, erinnert sich Thomas. „Wenngleich der ti bei trockener Fahrbahn wie ein Brett auf der Straße liegt, ändert sich das Ganze bei starkem Regen rapide ins Gegenteil. Vorsicht ist außerdem aus einem ganz anderen Grund geboten: Auch wenn der, Breite‘ mit seiner aggressiven Optik, dem unverwechselbaren Sound der offenen Ansaugtrichter sowie der Alpina-Abgasanlage und dem knackigen Handling zu zügiger Fahrweise animiert, sollte der Fahrer die geringe Bodenfreiheit im Hinterkopf behalten und vor allem auf unebenen Straßen Vernunft walten lassen. Der Frontspoiler wird es ihm danken. Da es trotz einer umfangreichen Suche bisher leider nicht möglich war, eine Reserve für diesen seltenen, uns nicht bekannten Spoiler zu finden, wird er in naher Zukunft demontiert, um von ihm eine entsprechende Reproduktionsform anzufertigen. Damit wäre diese Sorge vom Tisch.“

Sportfahrers Goldstandard: Scheel-Schalensitze und Schroth-Hosenträgergurte.

Sorgenfrei, bestätigt Thomas, seien auch alle, die bisher die Möglichkeit hatten, mit dem roten 2002ti über die Landstraße zu räubern: „Der Wagen ist unwahrscheinlich bissig und hängt hervorragend am Gas, da hatte jeder bei der Rückkehr ein verschmitztes Lächeln im Gesicht. So geht es mir auch immer, wenn ich mit ihm unterwegs bin.“ Der Besitzer der Leipziger Sammlung hält bis heute regen Kontakt zu Markus, der sich damals nur schweren Herzens von seinem ti getrennt hatte. Dieser äußerte schon mehrfach den Wunsch, das Fahrzeug gern irgendwann wieder zurückholen zu wollen. Sein Wunsch konnte ihm leider nicht erfüllt werden, doch er bekam die Zusage aufs Vorkaufsrecht. Seit dem Kauf wurden ihm schon einige Bilder geschickt, um zu belegen, dass es dem BMW in Sachsen gut geht. „Obendrein steht die Einladung, dass er im Sommer, wann immer er möchte, nach Leipzig kommen kann, um seine alte Liebe über die sächsischen Landstraßen zu bewegen. Mal schauen, wann er uns besucht, um alte Zeiten aufleben zu lassen.“ Differenzen mit der jungen Dame um den Platz am Lenkrad wird es zumindest vorerst nicht geben: „Amélie, mittlerweile im Besitz ihrer Fahrerlaubnis, wird während ihrer Probezeit auf zivilere Fahrzeuge der Sammlung zurückgreifen, da diese Fahrmaschine durchaus führerscheingefährdend sein kann und natürlich eine gewisse Fahrerfahrung erfordert.“

Text: Arild Eichbaum
Fotos: Frank Schwichtenberg

Ein echter Sportler hat die Haube vorn angeschlagen. Davon war man zumindest damals überzeugt.

Feature Facts: 1969er BMW 2002ti

Motor: M10 R4, 1977 ccm; Alpina-A3-Trimm: Schmiedekolben, 300°-Nockenwelle, bearbeitete Kanäle, 45er Weber DCOE, Offene Ansaugtrichter mit Gitter, Ölkühler, Elektrolüfter; 165 PS bei 6600 U/min; Alpina-Abgasanlage mit Fächerkrümmer

Kraftübertragung: Fünfgang-Sportgetriebe, Differenzial 3,45:1 mit 40% Sperre, Hinterradantrieb

Fahrwerk: Carelly-Sportfahrwerk mit 50 mm Tieferlegung, H&R-Spurverbreiterungen vorn und hinten 25 mm, Reuter-Domstrebe vorn

Räder: ATS “Classic”, 7 x 13 H2 ET20

Reifen: Falken „Ziex“, ZE912 205/60 R13 86H

Karosserie: Frontspoiler, Kotflügelverbreiterungen vorn und hinten 8 cm pro Seite, Heckspoiler in Kofferraumdeckel integriert (handgefertigtes Unikat), Ingelmann-Sportaußenspiegel, Colorverglasung in Grün

Interieur: Scheel-Schalensitze, Schroth-Hosenträgergurte mit Rollautomatik, Matter-Überrollbügel, Mille-Miglia-Sportlenkrad, Zusatzarmaturen, Alpine-7513M-Kassettenradio

Diese Perspektive könnte einen Hinweis geben, warum die 1970er Jahre allgemein als wild galten.
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