Ein Herz für Bimmer
Wie aus einem verrosteten Teileträger ein opalgrünes Unikat wurde
Was da eines Tages vom Autotransporter auf den Hof der Manufaktur Röhrle rollte, war eigentlich ein hoffnungsloser Fall: ein 518er mit Vergasermotor und Minimalausstattung, das Blech vom Rost zerfressen, der Lack von der Sonne zersetzt und abgeblättert. Trotzdem fand Sarah: „Der ist zu schade zum Schlachten!“ Damit brachte sie ein gewaltiges Projekt ins Rollen, das einen sehr außergewöhnlichen E28 hervorbrachte!
Sarah hatte 2018 nicht aktiv nach einem Klassiker gesucht, doch als ihr Vermieter eines Tages den heruntergekommenen 5er in den Hof stellte, musste sie ihn sich genauer ansehen. Einmal auf dem Fahrersitz Platz genommen und die Motorhaube geöffnet, war es um sie geschehen – trotz des desolaten Zustands strahlte der alte BMW einen unwiderstehlichen Charme auf sie aus. Der unscheinbare 518 war als Ersatzteilspender vorgesehen – für Sarah unvorstellbar: „Ich konnte nicht zulassen, dass man ihn schlachtet“, erinnert sie sich. Kurzerhand kaufte sie den E28 für kleines Geld ihrem Vermieter ab und fasste den mutigen Entschluss, den maroden 5er zu restaurieren.
Glücklicherweise konnte Sarah dabei auf kompetente Unterstützung zählen: Ihre Familie betreibt die Manufaktur Röhrle, einen Fachbetrieb für Oldtimer-Restaurierungen. Entsprechend groß war der Wissens- und Erfahrungsschatz, auf den sie zurückgreifen konnte. „Mein Vater, der absolute Alleskönner, verrichtete nicht nur die umfangreichen Karosserie- und Lackierarbeiten, sondern auch die Instandsetzung der Mechanik“, berichtet Sarah, „meine Mutter, eine Aufbereiterin aus Leidenschaft, widmete sich all den verwitterten und verblichenen Originalteilen.“ Ob Chrom, Kunststoff, Stoff oder Leder – was noch zu retten war, brachte Sarahs Mama wieder in Topform. Lediglich für den Motorumbau und die Sattlerarbeiten holte sich die Familie externe Profis ins Boot.
Stück für Stück erwachte der Fünfer wieder zum Leben. „Als der Motor nach der vielen Arbeit die ersten Töne von sich gab und ich die erste Fahrt antreten konnte, war das ein prägender Moment“, schildert Sarah. Im Anschluss an die Zulassung betrieb sie ein wenig Detektivarbeit bezüglich der Vorgeschichte ihres E28. Dabei stellte sich heraus, dass der 5er die längste Zeit seines Lebens bei einem Autosammler – oder zutreffender: „Automessie“ – im Garten verbracht hatte. Kein Wunder also, dass die Karosserie derart verwittert war und alle Unterlagen fehlten. Über einige Umwege gelangte der vernachlässigte BMW auf den Hof der Röhrles, sodass Sarah ihn schließlich retten konnte.
Mit der Wiederbelebung war es für Sarah noch nicht getan, denn die Wunschliste an Verbesserungen war lang. Obwohl die umfassende Restaurierung das Budget strapazierte, gab es zwei Dinge, auf die sie von Anfang an nicht verzichten wollte: eine Doppelvergaseranlage und ein Luftfahrwerk. Beides wurde daher direkt während des Neuaufbaus umgesetzt. Nicht lange nach den ersten Ausfahrten wurde auch ein Fünfgang-Getriebe nachgerüstet.
Weil der mit seinen 90 PS schon ab Werk etwas überforderte Motor seine besten Tage hinter sich hatte und dementsprechend die Freude am Fahren nicht so recht aufkommen wollte, stand 2021 ein Upgrade an. Sarah vertraute die Maschine der Firma Kolb Motorsport an, die den 1,8-Liter-Vierzylinder von Grund auf überholte und dem Triebwerk rund 170 PS sowie 230 Nm entlockte. Möglich wurde dies durch eine Erhöhung der Verdichtung auf 11:1, geschmiedete Kolben, bearbeitete Brennräume, eine 316°-Nockenwelle und die beiden großen Weber-Doppelvergaser. Damit bewegt sich der einst brav motorisierte 518 leistungsmäßig auf dem Niveau eines zeitgenössischen 528i – und liefert obendrein eine Klangkulisse, die das Herz aufgehen lässt. „Dieser Motor ist einfach der Wahnsinn!“, freut sich die stolze Besitzerin.
Nach der Leistungssteigerung rückte der Innenraum in den Fokus. Die originale Stoffausstattung war nach mehr als 40 Jahren schlicht verschlissen. 2023 erhielt der 5er deshalb eine komplette Interieur-Kur: Sattlermeister Pawlowski vom „Lederstadl“ in Landsberg am Lech bezog Sitze und Türverkleidungen im Originaldesign neu. Auch ein rissfreies Armaturenbrett konnte organisiert werden, sodass das Interieur wieder wie neu erstrahlt. Die jüngste große Änderung betraf die Räder. Im Frühjahr 2024 bekam der E28 endlich die langersehnten BBS-„RS“-Kreuzspeichen.
Damit ist der BMW wohl am vorläufigen Endpunkt einer jahrelangen Verwandlung angelangt; auf Sarahs Liste stehen nur noch ein paar Kleinigkeiten. Zum Glück, denn für die Summe, die über die Jahre in die Restauration geflossen ist, hätte Sarah auch einen M5 E28 kaufen können. „Rückblickend war es wohl Liebe auf den ersten Blick“, meint sie schmunzelnd. Vernünftiger wäre es wahrscheinlich gewesen, gleich ein besser erhaltenes Exemplar zu kaufen. Aber was zählt schon Vernunft in Herzensangelegenheiten?
Text: Frank Mundus
Fotos: Frank Schwichtenberg
Feature Facts: 1981er BMW E28 518
Motor:
BMW-M10B18-8v-Reihenvierzylinder, Neuaufbau Kolb Motorsport, 170 PS und 230 Nm, Verdichtung 11 : 1, Schrick-316°-Nockenwelle, bearbeitete Brennräume (hemisphärisch), Schmiedekolben, Weber-Doppelvergaseranlage, Fächerkrümmer, Edelstahl-Auspuffanlage
(Einzelanfertigung)
Kraftübertragung:
Fünfgang-Schaltgetriebe (nachgerüstet), Hinterradantrieb
Fahrwerk:
individuell angefertigtes Luftfahrwerk (Airride)
Bremsen:
Scheibenbremsen vorne, Trommelbremsen hinten (Serie)
Räder:
BBS „RS211“ in 8 × 16″ ET11 vorne und BBS „RS022“ in 9 × 16″ ET24 hinten
Reifen:
Nankang „Noble Sport“ in 205/40 R16 vorn und 215/40 R16 hinten
Karosserie:
Komplettrestaurierung der Karosserie (umfangreiche Schweißarbeiten, Hohlraumversiegelung), Neulackierung im originalen BMW-Farbton „Opalgrün Metallic“
Interieur:
Original-Stoffsitze und Türtafeln neu bezogen (2023), rissfreies Original-Armaturenbrett nachgerüstet, sämtliche Zierteile (Chrom, Kunststoff etc.) aufgearbeitet
