Schrottseidank!
Erste Hilfe für den ersten 3er
Wenn der Fahrzeugrestwert nach etwa 20 Jahren nicht mehr weiter sinken kann, trennt sich die Spreu vom Weizen: Schatz oder Schrott, polieren oder pressen? Reiner nahm sich ein Herz und rettete diesen 3er. Natürlich gaaanz uneigennützig!

„Um die Jahrtausendwende“, blickt Reiner zurück, „war ein E21 einfach nur ein alter BMW, die kraftvollen Einspritzer 320i und vor allem 323i mal ausgenommen. Oldtimer-Fans wollten den 02, doch die erste Dreier-Reihe stand sich in den letzten Reihen der Gebrauchtwagenplätze die Reifen platt. Wenn sie denn überhaupt noch ein Händler annahm. Meinem Exemplar blieb der Herbst des Lebens unter Fähnchen erspart, das war direkt für die Verwertung vorgesehen. So kam es auf den Schrottplatz eines guten Freundes von mir, wo ich beim Anblick vom Phoenix-orangen 318 sofort hin und weg war – den musste ich einfach retten!“ Nicht nur, weil es sich um das in 93.209 Einheiten gebaute Modell um den seltensten Vertreter der E21-Familie handelt: Denn als per se schlecht erwies sich der Wagen nicht, eher sogar als ziemlich gut. Der einzige Vorbesitzer hatte ihn zeitlebens in einer Garage untergebracht und auch die regelmäßige Wartung stets beherzigt. Scheckheftgepflegt war der Zweitürer allenfalls anfangs, gesichert sind jedoch die späteren alljährlichen Besuche beim Bosch-Dienst zwecks Ölwechsel durch eine Galerie Aufkleber auf der hinteren Spritzwand.

Zwar hatte der Rost sich bereits erdreistet, ein briefmarkengroßes Stück am hinteren Fensterrahmen wegzuknabbern, doch weitere Schweißarbeiten galt es nicht zu bewerkstelligen. Und dass der Erstbesitzer allerhand rentnerübliche Kratzer und Dellen verursacht hatte, sollte auch nicht weiter stören. Die waren sämtlich undramatisch und erforderten nicht mal den Einsatz von Spachtelmasse, sondern ließen sich allein mit etwas Füller korrigieren. Klar, dass der BMW-Fan den 02-Nachfolger in Anbetracht dessen nicht auf dem Schrott stehenlassen konnte. Der Sohn des aus Altersgründen nicht mehr fahrfähigen Erstbesitzers konnte das jedoch sehr wohl. „Ihm war der BMW zu alt und schlichtweg zu uninteressant. Also fott damit, nur leider war auch der Brief erstmal nicht auffindbar. Das hat ordentlich Zeit und Nerven gekostet, bis ich den endlich in meinen Händen hielt.“
Die Karosserie hatte Reiner wiederum quasi im Handumdrehen auf Vordermann gebracht, doch im Serienzustand sollte der E21 nicht bleiben – das wäre für ihn als Chef und Gründer von Ahrend 02 Tuning einfach nicht standesgemäß gewesen. Schrille Geschmacksverirrungen, wie es sie seinerzeit durchaus gab, hatten beim stilsicheren Schrauber keine Chance, vielmehr besann er sich wie so oft auf eine saubere Alpina-Optik. „Die war gar nicht schwer zu erreichen, ich musste nur aus dem Alpina-Regal einen Frontspoiler in Wagenfarbe, 13-Zoll-Multispeichen-Felgen, ein von Momo gefertigtes Sportlenkrad sowie einen Holzschaltknauf montieren. Zur Abrundung des Auftritts besorgte ich noch ein Bilstein-„B6“-Sportfahrwerk mit 40 Millimetern Tieferlegung, Recaro-Sitze und für die persönliche Note weiße Blinker. Die mussten einfach sein.“ Die Frontpartie wurde ganz bewusst nicht auf den Eindruck schindenden Doppelscheinwerfer-Look der R6-Modelle umgebaut, stattdessen durften die dezenten Einzelexemplare der biederen Vierzylinder-Modelle 315, 316, 318 und 318i an Ort und Stelle verbleiben.
Ein weiteres Upgrade befriedigte Reiners Frischluftbedarf: „Was mich von vornherein an dem Wagen störte, war das Fehlen eins Schiebedaches – ich lasse gern Luft und Sonne in den Wagen. Ein neues wollte ich sowohl aus Kosten- als auch aus Aufwandsgründen nicht einbauen, obendrein hätte ich den tadellosen Dachhimmel in Mitleidenschaft gezogen.“ Also organisierte der Rösrather die nächstbeste Alternative: hintere Colorglas-Ausstellfenster. „Diese wurden als Extra eher selten geordert und sind folglich kaum zu bekommen. Ich hatte aber Glück und wurde mit einem Baur-Mitarbeiter handelseinig, der mir einen Satz verkaufte, welcher nach einem der Baur-TC-Umbauten des E21 zwangsläufig übriggeblieben war: Da deren klassisches, sich bis zum Überrollbügel an der B-Säule erstreckendes Faltverdeck gegenüber der blechernen C-Säule der BWM-Limousine deutlich breiter baut, mussten die Stuttgarter stets neue Seitenfenster für den Fond zuschneiden.“

Mit Alpina-Optik sollte es aber nicht getan sein, schließlich kümmerte sich Burkard Bovensiepen auch immer um den Motor. Den zu beschreitenden Weg wies Reiner das historische Alpina-Wappen auf dem Hupknopf, das links anstelle der noch immer genutzten Einzeldrosselanlage einen Doppelvergaser zeigt. „Der serienmäßige Solex-Registervergaser flog schnell runter und machte einem Weber 40 DCOE Platz. Da man auf einem Bein aber nicht stehen kann und auf der neuen Ansaugbrücke noch zwei Löcher zu verschließen waren, gab es gleich noch einen zweiten dieser Doppelvergaser dazu. Den passenden Luftsammler fand ich bei meinem Freund Viktor Günther von VGS Motorsport, der zusammen mit der Edelstahl-Abgasanlage bei F&F Motorsport für den herrlichen Weber-Sound sorgt.“ Die auf dem Prüfstand ermittelten 125 PS werden über ein Fünfgang-Schongetriebe verwaltet. Alles prima? Beinahe! „Vielleicht hätte ich auch den rechten Bestandteil des Alpina-Emblems beherzigen und darüber hinaus eine schärfere Nockenwelle einbauen sollen. Denn nicht nur etwas mehr Leistung habe ich schon immer zu schätzen gewusst, sondern auch williger ansprechende Motoren. Außerdem bin ich ein großer Fan vom Sportgetriebe. Aber der 3er sollte ja ein überschaubares Projekt werden, das ich nur leider kaum fahre, weil er mir doch ein wenig zu träge ist. Da muss ich wohl nochmal ran!“
Text: Arild Eichbaum
Fotos: Frank Schwichtenberg

Feature Facts: 1979er BMW E21 318
Motor: R4 M10B18, 1766 ccm, 2 Weber-40-DCOE-Doppelvergaser, VGS-Luftsammler, 125 PS bei 6400 U/min, Gusskrümmer, F&F-Motorsport-Edelstahl-Abgasanlage
Kraftübertragung: Fünfgang-Schongetriebe, Hinterradantrieb
Fahrwerk: Bilstein-„B6“-Sportfahrwerk mit 40 mm Tieferlegung
Räder: Alpina Multispeiche in 6,5 x 13
Reifen: Falken „ZIEX ZE 912“ in 205/60 R13
Karosserie: Alpina-Frontspoiler, weiße Blinkergläser vorn, Colorglas-Ausstellfenster nachgerüstet
Innenraum: Recaro-Sitze, Alpina-Rückbank in Recaro-Optik, Momo-Alpina-Lenkrad, Alpina-Schaltknauf, Blaupunkt „Bristol 27“
