1975er BMW E3 3.0Si

Chefsache!

Zeitkapsel aus erster Hand

Sportive Reiselimousinen hatte BMW schon vor dem M5 drauf – zum Beispiel in Form des 3.0Si. Der Draufgänger der E3-Familie erlaubt auch mit fast 60 Jahren auf dem Buckel weit mehr als bloßes Mitschwimmen im Verkehrsfluss.

BMW bewarb den 22.310 Mal gebauten 3.0Si als Vorstandssportwagen. Da hatte sich der Erstbesitzer wohl direkt angesprochen gefühlt.

Mit seinem Vorgänger, dem 1963 eingestellten Barockengel, wies der E3 weder gestalterische noch technische Gemeinsamkeiten auf: Weg mit der pummeligen Schwülstigkeit, weg mit dem Vollalu-V8. Die Oberklasse-Limousine zeichnete sich durch eine äußerst sachliche, eher sportlich geschnittene selbsttragende Karosserie aus, fernab von Stuttgarter Pomp und Rüsselsheimer Hang am US-Mutterhaus. Die mit der „Neuen Klasse“ eingeführte und auch von der 02-Serie aufgegriffene, nach vorn geneigte Frontpartie wurde mit Doppelscheinwerfern übernommen und erreichte spätestens mit der Coupé-Abwandlung E9 Legendenstatus. Auch die neu eingeführten M30-Reihensechszylinder setzten bis in die 1990er Maßstäbe, avancierten zum Aushängeschild der nach den finanziell kritischen 1950ern endgültig auf dem Erfolgsweg angekommenen Münchner.

Mit Doppelscheinwerfern kam die nach vorn geneigte Haifischfront erst richtig gut und avancierte schnell zum Designklassiker.
Vor 50 Jahren noch Merkmal der Oberklasse: von innen verstellbare Außenspiegel.

 

 

 

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Die hatten ihr Profil in Form dynamisch-gediegener Wagen endlich gefunden – fast wie Jaguar, aber ohne Schrulligkeit. Das sagte dem genauso durchstartenden Erstbesitzer vorliegenden Exemplars zu, der beim Autokauf unter der Devise „Luxuriös muss nicht lahmarschig sein!“ prinzipiell zum größten Motor samt Handschaltung griff. Von Beruf technischer Leiter und später Bankchef, spielte für ihn auch stets „Zeit ist Geld“ eine wichtige Rolle, weshalb der 200 PS starke 3.0Si als sein erster Dienstwagen eine denkbar gute Wahl darstellte. Das „S“ stand für „Sport“, das „i“ für die Bosch D-Jetronic, die erste elektronische Einspritzung in einem BMW: Da war Spaß garantiert! In 7,8 Sekunden zischte der flinkste Spross der E3-Reihe von 0 auf 100 km/h. Ja, die Langversionen 3.3 L/Li waren hubraumstärker – aber auch behäbiger.

Der lebenslange BMW-Enthusiast war per du mit dem damaligen BMW-Vorstandsvorsitzendem Eberhard von Kuenheim, weshalb für ihn auch so viele individuelle Merkmale am Fahrzeug wie das ab Werk verbaute B-Netz-Mobiltelefon und ein Dachhimmel aus – festhalten, Propellerheads! – Mercedes-Leder ermöglicht wurden. Ebenfalls Träger der Doppelnierenbrille, aber erheblich jüngeren Baujahrs ist der 28-jährige Nico, der mit 16 Spaß am Schrauben fand und in der Folge eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker bei der BMW-Niederlassung Chemnitz absolvierte. „Ich lernte den Herrn zufällig über meinen älteren Bruder kennen und ihn sofort als brillanten Kopf schätzen, dazu extrem liebevoll und gastfreundlich, absolut alte Schule! Er hatte mir seine zwei traumhaften BMW-Oldtimer präsentiert, den am 9. September 1975 erstzugelassenen 3.0Si E3 und dessen Nachfolger 735i E23, die er im warmen Keller seines Hauses auf Teppich untergebracht hatte.“

Wegweisendes Duo: Die Motoren-Ikone M30 wurde als erste in einem BMW von einer elektronische Einspritzanlage in Form der Bosch-DJetronic gekrönt.

Das Duo wurde stets bei BMW Scheckheft-gepflegt, am Ende aus Altersgründen jedoch immer nur noch einmal im Jahr gefahren, und das zu ebenjenem Service. Zum Verkauf hatte der Besitzer die Wagen nie öffentlich inseriert, doch als er mitbekam, wie Nicos Herzschlag beim Anblick des mobilen Kulturguts in den roten Bereich beschleunigte, unterbreitete er dem Frankenberger eine Offerte. „Ich musste nicht lange abwägen. Den 7er durfte ich im Juni 2017 erwerben, den Si im Mai 2019. Dass die Fahrzeuge von mir genutzt und gefahren werden, war und ist eine äußerst wichtige Bedingung vom Vorbesitzer. Selbstredend ich tue alles in meiner Macht Stehende, um diesem Punkt gerecht zu werden.“

Auf den ersten Kilometern kam der E3 auch gleich zu seinem Namen, fährt Nico fort: „Ich taufte ihn ,Jerks‘, abgeleitet von dem Wort ,jerk‘, was ,Ruck‘ oder ,schlagartig‘ bedeutet. Dann anfangs ruckelte er oft sehr stark, was auf eine verschlissene Kupplung hindeutete. Darüber konnte ich lächelnd hinwegsehen, nach so langer Zeit darf ruhig mal die erste Kupplung aufgeben.“ Auch Schaltgetriebe, Kardanwelle und Differenzial verlangten schließlich nach gründlicher Überholung, dem Motor spendierte Nico eine elektronische Zündanlage – was soll‘s, man ist ja vom Fach. Dafür, dass der Si bald ein halbes Jahrhundert alt und gut 239.000 Kilometer gelaufen ist, befindet er sich in einem Top-Zustand, versichert Nico.

Mobilfunk: Die Antenne auf dem Dach gehört zur ab Werk verbauten B-Netz-Telefonanlage von Telefunken.

„Dieses Fahrzeug hat wirklich eine eigene Seele, das spürt man jede einzelne Sekunde, in der man sich mit ihm auseinandersetzt. Ich habe auch immensen Respekt vor dieser alten Technik, entsprechend behandle ich sie auch. Das ständige Stop-and-Go bei Stadtfahrten mag mein E3 absolut nicht – das zeigt er mir auch, wenn es ihm mal zu viel wird.“ Ohnehin sei die Sportlimousine anderswo daheim, freut sich der Sachse: „Bei schönen Sprints auf der Landstraße haben wir enorm viel Spaß, und gern zeigen wir auch den heutigen Fahrzeugen auf der Autobahn mal, wo der Hammer hängt. ‚Jerks‘ geht laut Tacho immer noch seine 200 km/h Höchstgeschwindigkeit. Seine Dienstwagen-Vergangenheit, in der er hauptsächlich auf der linken Spur mit Lichthupe bewegt wurde, hat er in keiner Weise vergessen.“

Ungewöhnlich in der damaligen Oberklasse: Drehzahlmesser serienmäßig, Telefunken-4015-B-Autotelefon mit gut 12.000 DM enorm teuer.

Was ein Genuss, dabei dem untertourig relativ dumpfen sowie bassigen und bei höheren Drehzahlen typischen schreienden BMW-Sechszylinder-Sound von BMW zu lauschen. Sofern der Wagen es denn zulässt: „‚Jerks‘ hört auf jeden Fall gern Fußball im Radio. Selbst wenn der Empfang grottenschlecht ist, empfängt er die Berichterstattung aus niedrigen Ligen. Er wechselt auf dem Blaupunkt auch gern selbstständig dorthin.“ So ist das eben mit Fahrzeugen, die eine Seele haben…

Text: Arild Eichbaum
Fotos: Frank Schwichtenberg

Feature Facts: 1975er BMW E3 3.0Si

Motor:
M30 R6, 2985 ccm; 9,5 : 1 Verdichtung; Bosch-D-Jetronic-Einspritzanlage, 200 PS bei 5500 U/min, 277 Nm bei 4300 U/min, Einrohr-Abgasanlage

Kraftübertragung:
Viergang-Schaltgetriebe, Hinterradantrieb

Fahrwerk:
Einzelradaufhängung mit Querlenkern und Federbeinen, hinten Einzelradaufhängung mit Schräglenkern; innenbelüftete Scheibenbremsen rundum

Räder:
Minilite, 7 x 14

Reifen:
Falken „Ziex 310 Ecorun“, 195/70 R14

Karosserie:
Anthrazitgrau metallic, Schiebedach, elektrisch verstellbare Außenspiegel

Interieur:
Lederausstattung, Himmel in Mercedes-Leder, Blaupunkt-Radio, Telefunken-4015-B-Mobilfunkanlage

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