Sechszylinder-Einzelstück
Der Hahne im Korb
Händlerserien, die zum Ankurbeln des Absatzes aufgelegt wurden, sind ein alter Hut. Rarer und deutlich aufsehenerregender als das übliche Klebedekor nebst netten Rädern war das Dutzend 2002ti Diana, mit dem Hubert Hahne seine BMW-Niederlassung ins Gespräch brachte.
Zuvor aber zog es den umtriebigen Herrn auf die Piste: Der Startschuss seiner Karriere fiel 1960 beim 6-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, 1963 erreichte er mit dem Europapokal für Tourenwagen auf BMW 700 den ersten großen Erfolg. 1964 entschied Hahne auf BMW 1800ti mit 14 Siegen in 16 Rennen die Deutsche Rundstrecken-Meisterschaft für sich, 1966 wurde er Tourenwagen-Europameister und gewann mit Jacky Ickx die 24 Stunden von Spa-Francorchamps. Im selben Jahr absolvierte er in einem Rahmenrennen zum Großen Preis von Deutschland auf 2000ti als erster in einem Tourenwagen die Nürburgring-Nordschleife in unter zehn Minuten. Einen Tag darauf wurde er auf derselben Strecke mit einem Matra MS6-BRM Zweiter in der Formel-2-Wertung. Ab 1967 trat er für BMW an, zunächst mit Lola-Chassis. Highlight seiner Formel 2-Karriere war die Europavizemeisterschaft 1969.
1970 hängte Hahne den Helm an den Nagel, nachdem er die Qualifikation für seinen vierten Großen Preis von Deutschland auf March-Ford verpasst hatte, und liebäugelte mit einem eigenen Formel-1-Rennstall. Daraus wurde nach einem Riesenkrach mit March nichts, und außerdem war da noch die Eheschließung mit Schauspielerin Diana Körner. Es empfahl sich, solide zu werden und statt des unvernünftigen Rennsports eine vernünftige Existenz als BMW-Händler aufzubauen. Zum Ja-Wort bekam die frisch angetraute Gattin neben einem Ring auch die Fahrzeugschlüssel zu einem im Februar 1970 nach seinem Gusto umfangreich optimierten 2002ti in Königsblau mit weißem Ledergestühl. Diesen hatte der im April 2019 verschiedene Hahne bei Baur in Auftrag gegeben. „Als dieser Nobel-ti allseits für geschürzte Lippen sorgte wie später im März 1975 die ‚Playboy‘-Aufnahmen seiner Holden – ja, so präsentierte man sich in Zeiten vor Only Fans –, entschied Hahne sich als Paukenschlag zur Eröffnung seiner Blau-Weiß-Vertretung zu einer auf zwölf Einheiten begrenzten Kleinserie. Die jeder in einer anderen Metallic-Nuance lackierten Hingucker waren maßgeblich vom vierrädrigen Hochzeitsgeschenk inspiriert und trugen obendrein den Namen der Braut“, weiß Reiner als alter 02-Hase.
Der Serienumfang des Diana-Dutzends glich im Wesentlichen dem des Vorbilds: So waren ergänzend zum Exklusivlack grundsätzlich der matt glänzende Kühlergrill mit Doppelscheinwerfern vom BMW E9 und US-Stoßstangenhörner an Bord. Für eine sportliche Note sorgten am 2002 ti Diana das Nardi-Sportlenkrad, die Stilauto-Aluräder im 13-Zoll-Format, ein schmissiger Sebring-Spiegel, Recaro-Sportsitze sowie Zusatzarmaturen. Zu einem gehörigen Komfortzuwachs verhalfen das elektrische Schiebedach, elektrische Fensterheber, das Becker-Stereo-Radio mit vier Lautsprechern, der flauschige Veloursteppich und die passend auf die jeweilige Außenfarbe abgestimmte Leder-Innenausstattung. Den überbordenden Luxus seiner rollenden Werbemaßnahmen fürs neue Geschäft, auf deren Herkunft Hahne mit einem properen Chromschriftzug am Armaturenbrett hinwies, ließ sich der gelernte Kaufmann und Kfz-Mechaniker freilich ordentlich bezahlen: Mit einem Neupreis von 22.500 DM kam das Sondermodell „Diana“ gut doppelt so teuer wie seine 2002ti-Basis.
Die gehörte mit 130 PS zu den Flotten ihrer Zeit, doch das reichte dem mehr Kraft gewöhnten Unternehmer nicht: Sein Exemplar bekam als einziges den 150-PS-Sechszylinder aus dem E3 2500. Der von Grähser BMW aus Dudweiler installierte M30-Motor drückte den „2502“ in 8,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und war gut für 198 km/h Spitze. Dem Verbrauch von 18 l/100 km trug man mit einem aus zwei Tanks zusammengeschweißten 100-Liter-Reservoir Rechnung. Pünktlich vor der zweiten Ölkrise wurde nicht etwa eine sparsame 1502-Nähmaschine reingehängt, sondern ein mehr als doppelt so großer Prachtkerl, berichtet Reiner: „1979 dankte die Motorsport GmbH ihrem Anhänger seine Treue mit einem ganz besonderen Geschenk, einem 3,7-Liter-Versuchsmotor. Das wilde Aggregat, entstanden aus einem aufgebohrten M30B33, drückte 227 PS ab, damit war Hahne auf der Überholspur wie in seinem Autohaus der Chef.“
1986 orientierte sich Hahne beruflich um, und Jungunternehmer Reiner, der sich ein Jahr zuvor mit Ahrend- 02-Tuning selbständig gemacht hatte, stieß in einem Kfz-Magazin auf eine Annonce: „BMW-Graehser, einmaliges Exemplar, Bj. 71, geänderter Rahmen d. BMW Typ 2002 ti…“ Was sich dahinter verbarg, war dem BMW-Fan von vornherein klar – und er nach zähen Verhandlungen stolzer Eigener des heiligen Grals. Zeit für den Neuerwerb hatte er freilich nicht, da gingen die Kundenautos vor, und so wurde die Sechszylinder-Diana längerfristig beiseitegestellt. 2013 war Lady Di reif für eine behutsame Restauration. „Der Innenraum war tadellos, da ging es eher um Rost, Funktionsausfälle und Standschäden. Außerdem habe ich die eckigen Facelift-Rückleuchten gegen die originalen runden getauscht. Dieser Umbau war einst üblich, und Hahne hatte offenbar auch daran Geschmack gefunden, seine Diana optisch zu verjüngen.“
Nach Reiners Verjüngungskur drückte sein 02 wieder mit Wonne nach vorn, zum Kurvenstar fehlt ihm allerdings konstruktionsbedingt das Zeug: „Wirklich agil ist der Wagen nicht, da sind die Vierzylinder-02 um Längen flinker. Denn auch wenn der R6 so weit wie möglich nach hinten gerückt wurde, ist und bleibt er ein schwerer Trumm, der zu heftigem Untersteuern führt. Das wird den Hahne aber nicht gejuckt haben, wenn er regelmäßig von seinem Firmensitz in Düsseldorf zu seiner Lamborghini-Vertretung nach München gezischt ist. Denn auf der Autobahn ging es bei ziemlich sattem Klang vornehmlich geradeaus, zudem hatte er in seinem Kompakt-GT alle Füße voll zu tun: Der rechte nagelte das Gaspedal auf dem Boden fest, und der linke sorgte anhand des kombinierten Hupe-Lichthupe-Trittschalters für freie Bahn!“ Inmitten der italienischen Kampfstiere wirkte Hahnes Diana am Zielort keineswegs fehlplatziert: Er hatte sie wohlweislich in ,Luci del bosco metallic‘ aus der Farbpalette des Supersportwagen-Herstellers lackieren lassen…
Text: Arild Eichbaum
Fotos: Frank Schwichtenberg
Feature Facts: 1971er BMW 2002ti Diana
Motor: auf 3680 ccm aufgebohrter M30B33-BMW-Versuchsmotor, drei Weber-45-DCOE-153-Doppelvergaser, offene Luftfilter, 227 PS bei 6450 U/min, Edelstahl-Auspuff
Kraftübertragung: Viergang-Handschaltung, Sperrdifferenzial, Hinterradantrieb
Fahrwerk: H&R Federn, Bilstein-upside-down-Dämpfer
Räder: Atilauto „Copette“ in 6 x 13
Reifen: Michelin „XDX-B“ in 185/70 R13
Karosserie: Sonderlack „Luci del bosco metallic“ von Lamborghini, Doppelscheinwerfer vom BMW E9, US-Stoßstangenhörner, Sebring-Sportspiegel, elektrisches Schiebedach
Interieur: auf Außenfarbe abgestimmte Leder-Vollausstattung, Veloursteppich, Recaro-Sitze, Nardi-Lenkrad, Zusatzarmaturen, elektrische Fensterheber, Becker-Stereo-Radio mit 4 Lautsprechern